Zeitzeugengespräch in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Gebt meine Geschichte weiter, auch wenn ich es nicht mehr kann!“

 

Dies waren die letzten Worte von Dagmar Lieblova in unserem Zeitzeugengespräch in der Gedenkstätte Neuengamme.

Im Rahmen einer Geschichtsexkursion in die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Neuengamme hatten wir das große Privileg, an einem Zeitzeugengespräch teilnehmen zu können. Aus diesem Grund war Herr Erdelbrock, ein Mitarbeiter der Gedenkstätte Neuengamme, bereits eine Woche vorher in unsere Klasse gekommen, um uns die Geschichte der Gedenkstätte zu erläutern und uns auch auf das Zeitzeugengespräch selbst vorzubereiten.

ZeitzeugeAls wir am 05. Mai 2015 ankamen, berichtete unsere Zeitzeugin Dagmar Lieblova, eine eindrucksvolle und humorvolle ältere Dame, sehr beeindruckend aus ihrem Leben. Diese Zeitzeugengespräche führt sie schon seit 28 Jahren, seit sie bei einem Buch über Kinder in Konzentrationslagern mitgewirkt hat. Sie wurde im Jahre 1929 als Tochter eines jüdischen Arztes in einer kleinen Stadt bei Prag geboren. Im Juni 1942 wurden sie und ihre Familie, bestehend aus Großmutter, Mutter und Schwester, zu einer sogenannten „Hamburger Kaserne“ nach Theresienstadt umgesiedelt. Für diese Reise mussten sie ihr Hab und Gut in einem Koffer unterbringen. In sogenannten Kasernen gab es eine Abteilung für die Jugendvorsorge. Sie lebte während dieser Zeit in einem Mädchenheim. Rückblickend beurteilt Dagmar Lieblova ihren Aufenthalt –trotz der widrigen Umstände dort – als recht glücklich, da sie mit ihrer Familie zusammen war und eine Freundin fürs Leben gefunden hatte. Doch trotz dieser Umstände fürchtete sie die Umsiedlung in ein anderes Konzentrationslager und leider bewahrheitete sich ihre Befürchtung.

Zuerst wurde im Herbst 1942 ihre Großmutter nach Auschwitz deportiert, die sie nie wieder sah; ein Jahr später wurden sie und der Rest ihrer Familie ebenfalls nach Auschwitz deportiert. Allein schon bei der Hinfahrt ist ihr aufgefallen, dass Auschwitz nicht so „erträglich“ sein würde, wie das Lager Theresienstadt. Laut Dagmar Lieblova wurden um die 50 Menschen wie Tiere in einen Viehwaggon eingepfercht und mussten 2 Tage lang eingesperrt dort verharren – ohne zu wissen, wohin es geht. Das Einzige, womit sie ausgestattet wurden, waren 2 Eimer an jeweils einem Waggonende, der eine für Wasser und der andere für die Notdurft. Dort angekommen wurde ihr eine Nummer auf den Arm tätowiert, die sie bis zum heutigen Tage an die damaligen Ereignisse erinnert und so wurde ihr – wie sehr vielen Juden in dieser Zeit – die Identität genommen. Krankheiten, Hunger und Durst, Leid und Tod waren keine Seltenheit mehr, sie wurden vielmehr sogar zu einer Gewohnheit. Doch trotz all dieser Faktoren antwortet Dagmar Lieblova auf die Frage eines Schülers, ob sie Hass gegenüber den Deutschen empfände, mit „Nein, es hätte so oder so nicht geholfen“. Was ihr das Leben rettete, war hauptsächlich ihr Wille und die Hoffnung auf ein Leben, denn ihres hatte doch noch nicht richtig begonnen.

Durch den Arbeitsmangel im Hamburger Freihafen wurde sie vom Konzentrationslager Auschwitz nach Neugraben überstellt. Von September 1944 bis Februar 1945 musste Frau Lieblova als junges Mädchen in einer Zementfabrik körperlich sehr hart arbeiten. Viele sind wegen dieser Tätigkeit durch Erschöpfung gestorben. Frau Lieblova, die noch heute eine große Stärke und Willenskraft ausstrahlt, hat diese schwere Zeit überstanden, so dass sie den Tag der Befreiung am 15. April 1945 miterleben konnte und sich somit den Wunsch, ihr Leben so zu leben wie sie es wollte, erfüllen konnte. Heute ist sie 86 Jahre alt, hat Kinder und Enkelkinder und ist sogar in Besitz einiger ihrer alten Habseligkeiten. Doch trotz der positiven Wende in ihrem Leben denkt sie oft an die schweren Zeiten zurück.

Daher liegt es ihr sehr am Herzen, dass wir ihre Geschichte verbreiten.

B. Aboagye, Klasse 10d